Stark nach dem Motto “08. März ist alle Tage” wollen wir euch in diesem neuen Format FLINTA* aus Berlin und ihre Arbeit vorstellen.

Trommelwirbel für Tamara Güçlü! Sie lebt seit über zehn Jahren Jahren in Berlin-Friedrichshain und arbeitet als Moderatorin und Musikjournalistin sowie als Musikerin unter dem Namen TAM.

Liebe Tamara, herzlichen Dank, dass wir dich in deinem cozy Zuhause besuchen dürfen. Eben hast du erzählt, dass du bereits seit 11 Jahren in der Wohnung und seit 12 in Berlin lebst! Das macht neugierig auf den Anfang der Geschichte: Wie kamst du zu deinen Berufen und hatte es einen Zusammenhang mit deinem Umzug nach Berlin?

No joke, ich hab das Buch “Wir Kinder vom Bahnhof Zoo” in meiner Jugend gelesen und auch wenn da ne Menge Schlimmes drin beschrieben wurde, gab’s seither eine unbeschreibliche Faszination für Berlin, für Musik, für feiern, das Leben in einer Metropole. Habe schon mit 14 meinen Eltern erzählt: “Eines Tages lebe ich in Berlin!” Und die so: Ah ok, cool. Haha. Naja, dann bin ich nach dem Abi für mein Studium aber erstmal in ein sehr schnuckeliges, aber wahnsinnig spießiges Kleinstädtchen gezogen in Bayern. Das war gut fürs Konzentrieren und fürs neue Freund:innenschaften finden, aber nichts für meinen neugierigen und Stadt gewohnten Kreativkopf. Und nachdem ich die ersten Grundlagen über Journalismus, Kommunikationswissenschaft und Politik in Bayern gelernt habe, stand Berlin wieder auf der Agenda. Ich hab mich von Eichstätt aus dann für ein Volontariat u.a. beim Musikexpress beworben und bin dafür im Oktober 2013 nach Berlin gegangen. Dieser Job legte den Grundstein für den Einstieg in die Berliner Kulturlandschaft, zunächst als Journalistin, später als Moderatorin und dann als Künstlerin/Sängerin.

Was ist der Lieblingspart an deinen Jobs?

Ich liebe, dass mein Improvisationstalent, meine Schnelligkeit im Kopf und meine Liebe zur Sprache auf allen Ebenen so gut zum Einsatz kommen und dass ich das Privileg genieße, so viele unterschiedliche Charaktere und Perspektiven kennenzulernen. Keine Woche gleicht der anderen und diese Abwechslung ist für mich, die sich geistig schnell langweilen kann oder unterfordert fühlt von Routinen, extrem bereichernd.

Als Moderatorin kennt man dich hauptsächlich aus dem Musik-Kontext wie zum Beispiel von “PULS Musikanalyse”, die du für zwei Jahre moderiert hast, oder aber auch von Bühnen wie der am Brandenburger Tor im Rahmen der Fußball-EM. In welchem Kontext moderierst du am liebsten?

Für mich ist Popkultur die Safe Base, in der ich mich spezialisiert habe. Aber ich interessiere mich für wahnsinnig viele Dinge gleichzeitig, weswegen auch Politik, Gesellschaft, Soziales, Sport und jede Art von Kunst/Kultur mich reizt. Lege mich da ungern fest und möchte auch gern noch in anderen Bereichen mehr aktiv werden.

Deine Art zu moderieren in drei Worten?

Authentisch, aufrichtig interessiert und witzig!

Glückwunsch zu deinem neusten Release! “Trip“ kam gestern raus und ist deine erste Veröffentlichung in 2025. Du machst seit 2020 Musik, hast zwei EPs gedroppt und jetzt diesen Track. Worum geht es dir in deiner Kunst?

Klingt vielleicht abgedroschen, aber Musik ist mein Ventil, um ganz viele Prozesse der Selbsterkenntnis nach außen sichtbar zu machen. Ich hab 2019/2020 so richtig angefangen Songs zu schreiben, nachdem ich seit meiner frühesten Kindheit fast täglich Tagebuch geführt und dort auch schon Lyrics festgehalten habe. Mein Ziel ist es, dass die Struggles, die ich erlebe und das was ich daraus ableite, vielleicht anderen hilft, sich selbst liebevoller zu begegnen und sich nicht allein zu fühlen. 

Wie nimmst du den gegenseitigen Support in den beiden Branchen wahr?

Ich habe den Eindruck, dass es einerseits in bestimmten Kreisen einen unfassbar starken Support gibt und mir das auch immer bewusster geworden ist, wer die Menschen sind, mit denen ich mich dahingehend umgeben will. But a lot of people don’t practice what they preach. Die ownen nach außen sehr gern das Thema FLINTA*-Allyship, aber wenn du konkret um Hilfe bittest, sind Türen oder DMs gern zu. Und das frustriert mich manchmal. Versuche daher verstärkt meinen Fokus umzulegen auf diejenigen, die genuin unterstützen und davon gibt’s zum Glück auch ne Menge.

Was wünscht du dir für FLINTA*-Personen in den Branchen?

Wünsche mir deutlich mehr Sichtbarkeit, ehrliche Unterstützung und Flächen, wo wir als Kreative oder in welchen Disziplinen auch immer stattfinden können, ohne Angst, dass wenn es mehr von uns in sichtbaren Rollen gibt, automatisch weniger von uns Platz haben. We can co-exist, trust me.

Was repräsentiert der feministische Kampftag für dich?

Aufmerksamkeit dafür, dass es ein hart erkämpftes Privileg ist, dass FLINTA* als gleichberechtigte Personen in dieser Gesellschaft gesehen werden und dass es immer noch viel zu wenig ehrliche Augenhöhe für uns gibt: Finanziell und inhaltlich, zum Beispiel auch in der Mutter-Rolle, als Partner:in, als Kolleg:in, Chef:in etc.

Was würdest du deinem jüngeren “Ich”  gerne sagen? Hast du Tipps an die FLINTA* da draußen?

Sei nicht so hart zu dir und hab viel mehr Achtung vor deinem Wert, nach innen und außen. Vertrau deiner Intuition. If something feels fishy that’s because it probably stinks for real. Don’t accept bare minimum treatment – egal ob privat oder in beruflichen Beziehungen. Steh ein für deine eigenen Bedürfnisse. Plus: You are great, say it more often.

Vor- und Nachteile in Bezug auf Standort Berlin? Vorteil = mehr Vernetzung + Jobmöglichkeiten? Nachteil = mehr Konkurrenz? 

Yes haha und ergänzende zum Punkt Nachteile: manchmal zu wenig Ruhe und toxische Lifestyles werden oft romantisiert und verklärt.

Was hat sich über die Jahre verändert?

Mein Verständnis für die eigenen Talente, Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl. Weniger Toleranz für Sexismus / Diskriminierung jeder Art und egal von wem. Meine Definition von Beziehungen und was eine gute ausmacht. I stopped glorifying assholes just because they’re famous or bc I used to be accepting of that behavior. Mein Ruhebedürfnis. Diese Jobs sind mein Traum, aber um sie gut zu machen, braucht es Pausen und Distanz zu vielem.

Was fehlt Berlin?

Bezahlbarer Wohnraum und mehr politischer Einsatz für den Erhalt bzw. den Aufbau von Kulturräumen. Menschen, die hierher ziehen, um sich einzubringen und nicht nur von der Stadt zu nehmen. Bewusstsein für Weichheit und Höflichkeit im Miteinander statt Ellbogen, soziale Kälte und Härte.

Was verbindest du mit deinem Kiez?

Beständigkeit und Wandel, overpriced Hafer-Cappucinos, tolle Leute, Freiheit und Zuhause.

Danke Tamara <3

Das Video zum Interview findest du hier.