FOTO: © Gunter Demnig | Detlef Klein | Katharina Kohl // xpon-art gallery

abSTIMMUNG ::: eine thematische Gruppenausstellung zeitgenössischer Kunst

Das sagt der/die Veranstalter:in:

abSTIMMUNG in der xpon-art gallery

 

 

Eine thematische Gruppenausstellung zeitgenössischer Kunst

Eröffnung am Donnerstag, den 10. April 2025 um 19 Uhr

Im Anschluss geöffnet bis zum 4. Mai 2025

 

 

Nach der Wahl ist vor der Wahl. Das sich der Hamburger Senat neu bilden würde, hatten wir bei der Planung der Themen für dieses Jahr zwar mit angedacht, das sich aber der Bundestag selbst zerlegen würde und der weltpolitische Status Quo vollends in eine Schieflage gerät, nicht. Wenngleich wir nicht bester Dinge waren, sonst hätten wir das Thema nicht gewählt, schließlich wollten wir ausloten, wie die Lage, in der wir uns befinden, sich in den Arbeiten bildender Künstler*innen niederschlägt. Die elf Positionen in Malerei, Skulptur, Zeichnung, Objekt, Collage, Video, Fotografie und Sound in mehr als vierzig Exponaten zum persönlichen Feinabstimmen, Innehalten und Verorten im Einzelnen:

 

DETLEF KLEIN passten seine Arbeiten nur zu gut zur aktuellen Stimmungslage: Droht unsere Wohlstandsblase zu platzen? Dreht ein Drittel unserer Bevölkerung ab in den Faschismus? Wer hat's versaut? Seit den 90er Jahren versteht er sich als Vertreter eines Euphorischen Realismus und bemüht sich darum, die öffentliche Präsenz und insbesondere den Habitus überwiegend männlicher Leistungsträger - das somatisierte  Klassenbewußtsein, die Gestik, die Körperhaltung und den Dresscode - ins Bild zu setzen. Erschreckend gut. Wir haben ihn hinter dem Fenster, und im Keller.

 

Sekündlich erreichen uns unzählige Informationen, und unser Unterbewusstsein nutzt Muster, Wahrscheinlichkeiten, Vorurteile, Erinnerungen, Stereotype usw., um diese zu sortieren. Diese Sortierssysteme sind jedoch fragil, und in der Politik Ziel gezielter Manipulationen: Methoden wie Fake News, Neusprech, Euphemismen & Dysphemismen, Dog Whistle Politics, die Mad Man Strategy und weitere verzerren unsere Wahrnehmung. NATHALIE HUMMER befasst sich in Zeichnungen mit Zusammenhängen und Auswirkungen. Wir zeigen sie groß- und kleinformatig auf zwei Stockwerken.

 

2020 zeigten wir in der Ausstellung deMUT eine Soziale Skulptur eines Künstlers, die heute als das größte dezentrale Kunstdenkmal der Welt gilt. Die Rede ist von den Stolpersteinen, ein Projekt des Künstlers GUNTER DEMNIG, das die Erinnerung an die verfolgten, vertriebenen und vernichteten Menschen im Nationalsozialismus lebendig erhält, und die seit 1992 in mittlerweile über 30 Staaten über 100.000 mal verlegt wurden. Als ein Ort, wo sich Geschichte und Kunst begegnen, sollte dieser Stein mit der Inschrift „Ein Stein, Ein Name, Ein Mensch“ diese Arbeit würdigend in die historischen Räume der Galerie eingemauert werden. Dann kam Corona. Und genauso, wie Gunter Demnig und sein Team jeden einzelnen Stein mit Würde und den Menschen gedenkend einmauern, wollten wir das nicht so nebenbei machen. Aber jetzt. Der Rechtsruck, der sich nicht nur in der deutschen Gesellschaft vollzieht, die allgemeine desolate und fragile weltpolitische Lage, und auch die Einreichungen zu dieser Ausstellung zeigen, wie wichtig Hinschauen und Auseinandersetzung sind, und wie wichtig solche Arbeiten. Es erschien uns nur konsequent, diesen Stein und diese Arbeit noch einmal mit in eine Ausstellung aufzunehmen. Diesmal eingemauert.

Unser Dank gilt dem Bildhauer Jared Bartz, der das mit uns realisierte.

 

Die Zeile „Manche meinen…“, auf das Gedicht „Lichtung“ von Ernst Jandl verweisend [manche meinen / lechts und rinks / kann man nicht velwechsern / werch ein illtum], in ungelenker Schreibschrift über brave Vergissmeinnicht-Blüten quer auf eine Tischdecke gestickt, verweist für URSULA STEULER auf eine mangelnde Auseinandersetzung mit der Geschichte, und entsprechend weitergelebter Einstellungen, Denk- und Verhaltensmuster - Privat? Oder doch politisch?

 

Stimmungsmalerei? -mit einem Fragezeichen- kommt von PETRA HASSELBRING, gefühlt in den trüben Novembertagen des vergangenen Jahres beim Blick in die Welt jenseits des Atlantik, ins Blaue hinein, in die Ungewissheit. Die Stimmung war diffus, sie färbte den Hintergrund des täglichen Lebens; aber nicht grau in grau, sondern in Blau. Punkt, Punkt, Komma, Strich machte noch kein fröhliches Gesicht. Eine Verstimmtheits-Vorschau auf dieses Jahr? Sie zitiert Heinrich Heine: „Ein Meer von blauen Gedanken ergießt sich über mein Herz.“. Geschichte schreibt sich im Nachhinein, heisst es. Spüren tut man früher.

 

Die Transparenz staatlicher Quellen wird in der Arbeit „Knüller“ aus der Serie KLEINGEIST (revisited, 2025) von KATHARINA KOHL einerseits durch den einfachen Zugriff auf das Dokument (Kleine Anfrage der Fraktion CDU/CSU vom 24.2.2025 zur „Politischen Neutralität staatlich geförderter Organisationen“) sichtbar. Im Knüllen andererseits eine spontane Reaktion freigesetzt.

 

Rechtsruck in Europa: Ungebrochen weht der Geist des Faschismus am Mussolini-Obelisken und im Olympischen Schwimmbad des Foro Italico in Rom, dem ehemaligen Herzen der städtebaulichen Pläne Mussolinis. Bis heute lernen hier die Schulkinder Schwimmen und werden von ihren Müttern abgeholt, als sei nichts gewesen. Die postfaschistische Regierungschefin Meloni setzt die Presse bereits massiv unter Druck – werden Demokratie und Republik nun im Vorübergehen gleich mit entsorgt? Die Fotoserie „la Repubblica“ von JOHANNES GROHT entstand in Rom ungeplant – drängte sich ihm aber nahezu auf.

 

Ebenfalls um das Sehen geht es bei SABINE VON BASSEWITZ: „Kann die Fotografie objektiv sein? Was sie auf jeden Fall tun kann, ist, die Ereignisse oder Umstände für die Geschichte zu dokumentieren. Aber indem sie sie festhält, verschwindet die Objektivität“. Dieses Zitat von Vladimir Alexeev stellt sie ihrer Arbeit voran. Sie kommt vom Dorf: ca. 450 Einwohner:innen, ca. 70.000 Legehennen, Bullerbü-Romantik, Landwirtschaft, Freiwillige Feuerwehr, Schützenverein, Alkohol. Infrastruktur: Die Kneipe »Im Deutschen Haus«, im Volksmund »Kröger« genannt. Ihrem Bruder bedeutete das Freiheit, ihr das Gegenteil. Was die aus dieser Zeit existierenden Fotos erzählen, bildet weder seine Erinnerungen noch ihre ab, weder vollständig, noch zutreffend. Die Fotografin ergänzt, Widersprüche inkludierend, in einem fortlaufenden Projekt diese Erinnerungen – unter Zuhilfenahme generativer KI.

Auch zu sehen sind Fotos von dem legendären Konzert von Nirvana in der Hamburger Markthalle am 11. November 1991. Als einfach keiner eine Kamera dabei hatte.

 

Noch einmal politisch, aber auch poetisch wird es bei EVA SCHMECKENBECHER. In der sechsminütigen Videoarbeit scheint die Abdeckplane einer Salutierkanone, angestrengte Laute und Seufzer von sich gebend, zum Leben zu erwachen.

Bei der Kanone handelt es sich um eine US M101A1, hergestellt 1942-44 in den USA, mit einem ursprünglichen Kaliber von 105 mm und eingekammert auf 75mm. Sie steht auf der Festung Vardø in Norwegen, ca. 20 km Luftlinie von Russland entfernt.

 

Abstrakter wird es dann wieder bei ALEXANDRA VON BRAUN. Sie erforscht in ihren minimalistischen Arbeiten, inspiriert von Zen-Ästhetik und Meditation, die Schnittstelle zwischen Kunst und Achtsamkeit und destilliert in einem experimentellen Prozess Komplexität zu Klarheit - zur kontemplativen Betrachtung einladend.

 

Zum Abschluss eine 2019 entstandene Fotoarbeit aus der Serie „eingemacht - acht assoziative dreiklänge“. Das Thema Einmachglas gefüllt mit Kleinbilddias beschäftigt den Künstler falk.brvt aka FALK VON TRAUBENBERG seit 2002, sowohl installativ als auch fotografisch. Lesarten des assoziativen Dreiklangs „vorstellen / bedeuten / erinnern“ können für falk.brvt die Fragen „Wie stellen wir uns unsere Zukunft vor? Welche Bedeutung haben unsere Werte und Überzeugungen, die uns als Gemeinschaft verbinden und unsere Entscheidungen leiten? Und woher kommen wir und was haben wir aus unserer Vergangenheit gelernt?“ sein - gesellschaftlich wie individuell.

 

Lassen sie es sacken. Bei Fragen sprechen Sie uns gerne an; wenn Sie Durst haben, auch. Wir bieten nichts an, was wir nicht auch selber trinken würden, Getränke sind gegen Spende erhältlich. Der Eintritt ist frei, weil jeder Zugang zu Kultur haben soll. Sie dürfen allerdings gerne welchen spenden, wenn Sie den sonst auch honorieren. Wir konzipieren diese Ausstellungen und betreiben diesen Raum, weil wir es wichtig finden, dass es konstante und anspruchsvolle Positionen zwischen staatlichen Museen und kommerziellen Galerien einerseits und wechselnden Plattformen für Nachwuchskunst andererseits gibt - zum einen, um Kunstschaffende besser zu fördern, zum anderen, um eine lebendigere Kultur für den Dialog von Kunst und Gesellschaft zu schaffen. Wenn sie diese Arbeit unterstützen möchten, sprechen sie uns gerne an oder empfehlen uns einfach weiter.

Die Erzählungen dieser Ausstellung wurden geschaffen von den Künstler:innen. Die Textredaktion hatte Gerald Chors.

 

 

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Mit freundlicher Unterstützung der Behörde für Kultur und Medien Hamburg

 

 

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Teilnehmende Künstler:innen:

Alexandra von Braun, Detlef Klein, Eva Schmeckenbecher, Falk von Traubenberg, Gunter Demnig, Johannes Groht, Katharina Kohl, Nathalie Hummer, Petra Hasselbring, Sabine von Bassewitz, Ursula Steuler

 

Laufzeit:

Donnerstag, 10. April 2025 bis Sonntag, 4. Mai 2025

 

Öffnungszeiten:

Sonnabends, Sonntags, Montags und Dienstags 18 - 21 Uhr und n. V.

 

Vernissage:

Donnerstag, 10.4.2025 um 19 Uhr

 

Finissage:

Sonntag, 04.05.2025 11 - 16 Uhr

 

Ort:

xpon-art gallery

Repsoldstraße 45

20097 Hamburg

www.xpon-art.de

 

 

Über abweichende Öffnungszeiten informieren wir Sie auf unserer Homepage, unserem Instagram Account @xponartgallery und unserer Facebook Seite facebook.com/xponart

 

Im Verlaufe der Ausstellung werden, insbesondere auch für diejenigen interessant, die einen Besuch nach wie vor vermeiden müssen, 360°-Ansichten auf der Homepage eingepflegt.

Wir bitten, trotz allem an Corona und die Grippewelle zu denken und sich entsprechend zu verhalten.

Preisinformation:

Der Eintritt ist frei, weil jeder Zugang zu Kultur haben soll. Sie dürfen allerdings gerne welchen spenden, wenn Sie den sonst auch honorieren. Getränke sind gegen Spende erhältlich. Wir bieten nichts an, was wir nicht auch selber trinken würden. Wir konzipieren diese Ausstellungen und betreiben diesen Raum, weil wir es wichtig finden, dass es konstante und anspruchsvolle Positionen zwischen staatlichen Museen und kommerziellen Galerien einerseits und wechselnden Plattformen für Nachwuchskunst andererseits gibt - zum einen, um noch nicht etablierte Kunstschaffende besser zu fördern, und zum anderen, um eine lebendigere Kultur für die Kommunikation zwischen Kunst und Öffentlichkeit zu schaffen.

Location

xpon-art gallery Repsoldstraße 45 20097 Hamburg