Vivaldis Die vier Jahreszeiten sind eines der am häufigsten wiedergegebenen Musikstücke des klassischen Repertoires. Außerdem ist es eine eindrucksvolle Ode an die Natur. Im Wechselspiel mit dem berühmten Musikstück und den vielen Assoziationen und Emotionen, die es hervorruft, entfalten vier Tänzer*innen unterschiedlicher Tanzstile und Generationen ein komplexes Bewegungsrepertoire von beeindruckender Schönheit. Mal behutsam wie sanfter Wind, mal energiegeladen wie ein Gewitter arbeiten sie sich zum Höhepunkt der Partitur vor – und deuten dabei Zyklen, Muster und Rhythmen immer wieder neu. Die gemeinsame Choreografie von Anne Teresa De Keersmaeker und Radouan Mriziga feiert die Schönheit der Natur und der Musik – und betont gleichzeitig ihre Verletzlichkeit und unser sich wandelndes Verhältnis zum Klima angesichts der ökologischen Katastrophe der Gegenwart.
De Keersmaeker und Mriziga, die bereits 2020 zusammenarbeiteten, teilen ein starkes Interesse an der Beobachtung der Natur, an Geometrie und verkörperter Abstraktion.
“Dance is not only embodied celebration and consolation but also reflection. We can ask questions without making explicit statements. Considering the complexity and the extremeness of the times, to raise questions may be all we can do. What kind of past do we remember? What kind of future do we imagine? This music was written more than 300 years ago. It was full of surprises for us. It depicts man as alone, fearful and powerless in the face of nature. Its subject is simple, and everyone can relate to it. At the same time, it is multidimensional. It is layered: technically, as well as in terms of the story, and how it represents nature, and organizes time and space.” (Anne Teresa De Keersmaeker, zum gesamten Interview auf Englisch hier.)[1]
[1] „Tanz ist nicht nur verkörperte Feier und verkörperter Trost, sie ist auch Reflexion. Wir können Fragen ohne eindeutige Aussagen stellen. Angesichts der Komplexität und der außergewöhnlichen Bedingungen der Zeit sind Fragestellungen vielleicht alles, was wir beitragen können. An welche Art von Vergangenheit erinnern wir uns? Welche Art von Zukunft stellen wir uns vor? Diese Musik wurde vor mehr als 300 Jahren geschrieben. Sie steckte voller Überraschungen für uns. Sie stellt den Menschen angesichts der Natur als einsam, ängstlich und machtlos dar. Ihr Gegenstand ist einfach, für jede*n nachvollziehbar. Gleichzeitig ist sie vieldimensional. Sie präsentiert mehrere Schichten: technisch, aber auch die Geschichte betreffend, darin, wie sie Natur repräsentiert, und wie sie Zeit und Raum organisiert.“ (Anne Teresa De Keersmaeker)