In Böhmen und Mähren, die von 1526 bis 1918 zur Habsburgermonarchie gehörten, lebten jahrhundertelang tschechische und deutsche Bewohner mit- und nebeneinander. Der Ort Bergersdorf (heute Kamenná u Jihlavy), rund 20 Kilometer nördlich von Iglau/Jihlava gelegen, ist nur ein Beispiel von vielen. Gegründet im 13. Jahrhundert, lag er in einer kulturellen und sprachlichen Mischregion. Erst mit dem Aufkommen der Nationalismen im 19. Jahrhundert verschärften sich ethnische Konflikte in der Region, die jedoch vorerst weitgehend gewaltfrei blieben. Komplizierter wurde die Situation nach dem Zerfall der Habsburgermonarchie und der Gründung der tschechisch dominierten Tschechoslowakei im Jahr 1918. Massive Gewaltausübung und die Unterdrückung des tschechischen Bevölkerungsteils hielten mit der Besetzung der Tschechoslowakei durch NS-Deutschland 1938/39 Einzug.
Als mit dem Kriegsende im Mai 1945 die deutsche Herrschaft endete und die Tschechoslowakei wieder gegründet wurde, kam es vielerorts umgekehrt zu Gewaltausbrüchen gegen Deutsche. Die Schriftstellerin Herma Kennel wurde 1996 auf die Geschichte von Bergersdorf aufmerksam – eine Ortschaft, die sich nach 1939 eine Zeit lang »SS-Dorf« nennen durfte, da sie das besondere Interesse des SS-Obergruppenführers Gottlob Berger (1896–1975) geweckt hatte. Im Mai 1945 wurden dann durch tschechische Täter mehrere deutsche Einwohner von Bergersdorf ermordet. Aus der Vor- und Nachgeschichte der Mordnacht machte Herma Kennel ihren auf akribischen Recherchen beruhenden Tatsachenroman. Dieser zog nach seinem ersten Erscheinen in deutscher (2003) und tschechischer Sprache (2009) ein großes Medienecho auf sich – bis hin zu einem Bericht in der Tagesschau im ARD-Fernsehen – und führte erstmals zu strafrechtlichen Ermittlungen gegen noch lebende Beteiligte in der Tschechischen Republik.
Anlässlich des 80. Jahrestages der Geschehnisse bringt der Prager Vitalis-Verlag erneut eine Neuauflage von »BergersDorf« heraus, die Herma Kennel durch ein Nachwort zur Entstehungs- und Wirkungsgeschichte des Buches ergänzt hat.
Im Rahmen der Veranstaltungsreihe »80 Jahre Kriegsende in Europa«