Das sagt der/die Veranstalter:in:
Berlin, Anfang der 90er. Die Mauer ist gefallen, die Regeln sind unklar, das Tempo hoch. Die Stadt ist laut, pulsierend und voller Möglichkeiten. Niemand weiß, wie es weitergeht – aber alle streben irgendwohin. Wer jetzt jung ist, hat keine Anleitung – nur den Wunsch, sich neu zu erfinden.
Inmitten dieses Umbruchs verlieben sich zwei junge Menschen, die nicht unterschiedlicher sein könnten: Lisa aus Marzahn und Cem aus Neukölln.
Lisa lebt bei ihrem Großvater Paul, einem einst gefeierten Opernstar der DDR, der sich nun mit Schlagern bei Autohaus-Eröffnungen über Wasser hält. Paul träumt davon, Lisa eines Tages an der Scala in Mailand singen zu sehen. Doch Lisa hat andere Pläne: Sie will keinen Gesang, keine Kunst, keine Familientradition – Lisa will Geld machen, erfolgreich sein, sie will viel und das möglichst gleich.
Cems Mutter Esma kommt aus der Arbeiterklasse und wünscht sich für ihren Sohn ein freies, selbstbestimmtes Leben »ohne Öl unter den Fingernägeln«. Doch Cem will erst einmal nur eines, mit seiner Street Art der muslimische Keith Haring oder der türkische Basquiat von Berlin werden. Hauptsache: Klassenschranken mit der Sprühdose wegfegen und »Einmal im MoMA in New York hängen«.
Zwischen Abriss und Aufbruch stellen sich Lisa und Cem gegen alle Erwartungen. Was die beiden verbindet ist, was beide suchen: ein Leben jenseits der Rollen, in die sie hineingeboren oder hineingezwungen wurden. Lisa und Cem träumen von einer Freiheit, in der Herkunft keine Rolle spielt, in der man nichts erklären muss, um gesehen zu werden. Für einen Moment glauben sie, dass eine solche Freiheit im Blick des anderen möglich ist, in einer Liebe ohne Anspruch, ohne Besitz, ohne Plan. Je mehr sie jedoch versuchen ihren eigenen Weg zu gehen, desto mehr entfernen sie sich voneinander. Zwischen Stolz und Sehnsucht, Misstrauen und Selbstüberschätzung verlieren sie am Ende das, wofür sie gekämpft haben: Sich selbst!
Berlin Karl-Marx-Platz erzählt die Geschichte eines Jahrzehnts, das mit großen Träumen und Visionen begann und in dem die Liebe vom Tempo der Zeit überrollt wurde, in dem vermeintlich alles auf dem Markt landete und käuflich wurde.
Nach seiner Uraufführung als Musical an der Neuköllner Oper 2021 kommt Berlin Karl-Marx-Platz nun in einer neuen Textfassung ans Gorki – mit neuer Musik, neuer Besetzung, neuem Atem. Die zweite Uraufführung einer Geschichte über eine Liebe im Taumel der 90er, über Aufbruch, Geld und das flüchtige aufleuchten wahrer Freiheit, die Geschichte einer Zeit, in der fast alles verloren ging und doch alles möglich war, ist eine Einladung neu hinzuschauen, auf das, was war, und auf das, was wir heute wieder träumen sollten.
Premiere 1/November 2025
Im Rahmen des 7. Berliner Herbstsalon ЯE:IMAGINE: THE RED HOUSE
Foto: Esra Rotthoff