Im Zentrum der Ausstellung Olho da Rua [Out Loud] steht der gleichnamige Film des brasilianischen Künstlers Jonathas de Andrade. Für diesen hat de Andrade eine temporäre Gemeinschaft von Obdachlosen porträtiert, die im Stadtzentrum von Recife leben. Sie wurden von ihm eingeladen, an einer Reihe von Übungen teilzunehmen, für die sich der Künstler vom Theater der Unterdrückten inspirieren ließ, das in den 1970er Jahren von dem brasilianischen Theoretiker und Aktivisten Augusto Boal entwickelt wurde. Boal nutzte das Medium Theater, um gegen Unterdrückung und Ausgrenzung vorzugehen. Das Theater der Unterdrückten konzentriert sich auf das politische Potenzial der Teilnehmer:innen sowie darauf, deren Leben durch aktive Beobachtung, kollektives Brainstorming und ungeschriebenen Ausdruck neu zu gestalten und zu verändern.
Die Ausstellung gibt Anlass zur Frage, welche Qualität von Öffentlichkeit lässt sich mit Kunst in Zeiten der Spektakularisierung und Singularisierung noch herstellen? Was braucht es, damit Menschen aus ihrer Rolle als „spectators“ heraus- und „in Erscheinung treten“ (Hannah Arendt), um die aktive Haltung eines „spect-actors“ (Boal) einzunehmen?
Entsprechend dem Anspruch der Kunsthalle, zu einer engagierten Auseinandersetzung mit dem öffentlichen Raum bzw. Fragen von Kunst und Öffentlichkeit anzustiften, wird Prof. Dr. Bernd Ruping (Hochschule Osnabrück) sowohl die in der Stadthausgalerie Münster ausgestellte Installation von de Andrade als auch die Vorschläge Boals zum Anlass nehmen, um mit interessierten Münsteraner:innen über die Relevanz und Notwendigkeit eines strikteren Verständnisses von Öffentlichkeit nachzudenken. An seiner Seite steht der Improvisationskünstler und Interaktionsdozent Benjamin Häring (Hochschule Osnabrück), um das, was an diesem Abend in einem dialogisch angelegten Vortrag zu hören und zu sehen ist, spielerisch auf die Probe zu stellen.