Im Juni 1816 sticht die «Medusa», die schnellste Fregatte ihrer Zeit, in See. Ihr Ziel ist das senegalesische Saint-Louis. An Bord sind zweihundertvierzig Menschen – neben den Matrosen großteils Soldaten, aber auch der Gouverneur der Kolonie samt Familie, dazu Priester, Lehrer, Ärzte und Ingenieure. Zwei Tagesreisen von ihrem Ziel entfernt läuft das Schiff auf eine Sandbank und zerbirst. Da auf den Rettungsboten nicht genug Platz für alle ist, wird ein Floß gezimmert, das von den Rettungsbooten an Land gezogen werden soll. Doch schon bei der Abfahrt wird das steuerlose und völlig überladene Floß von den Booten zurückgelassen, auf denen sich die Würdenträger in Sicherheit bringen. Von den hundertsiebzehn Männern werden nur fünfzehn überleben. Nicht wenige fallen der Hand ihrer Leidensgenossen zum Opfer, denn das wenige Gut, das sie retten konnten – Fässer mit Wein, durchweichter Zwieback, ein paar Waffen und Wertgegenstände –, wird genauso bis aufs Blut umkämpft wie die Entscheidungshoheit über mögliche Rettungsmaßnahmen.
Ausgehend von den Schilderungen des Wundarztes Savigny und des Ingenieurs Corréard, Überlebende des Unglücks, schuf der damals unbekannte Maler Théodore Géricault 1819 «Das Floß der Medusa», das heute zu den berühmtesten Gemälden des Louvre zählt. Der Autor und Regisseur Alexander Eisenach, der sich vergangene Spielzeit mit «Einer gegen alle» nach Oskar Maria Graf am Residenztheater vorgestellt hat, zeigt nun eine Bühnenadaption des Verteilungskampfs der Schiffbrüchigen, in dem sich Fragen nach Solidarität und Gerechtigkeit von größter Aktualität auftun.
«Von den Strukturen des Imperialismus und Kolonialismus des frühen 19. Jahrhunderts führen Linien ins Heute. Der Spagat zwischen einer skrupellosen Ausbeutungsökonomie an der Peripherie unserer Wahrnehmung und einem progressiv-egalitär geprägten Menschenbild vor dem Hintergrund von Aufklärung und Wissensgesellschaft im Zentrum unserer Aufmerksamkeit beschreibt das historische Moment ebenso wie die Gegenwart.» Alexander Eisenach