»Man singt und es wird«: Im Zuge eines Zusammenbruchs hat Max Gruber den Soloartist Drangsal gekillt und die Band Drangsal gegründet. Am Ende des Tunnels steht das im Juni2025 erscheinende Album »Aus keiner meiner Brücken die in Asche liegen ist je ein Phönixemporgestiegen«. Seit über zehn Jahren sichelt Max Gruber mittlerweile die Zick-Zack-Schneise Drangsal durch diedeutsche Poplandschaft: »Harieschaim« aus 2016, »Zores« aus 2018 und zuletzt »Exit Strategy« –das ihm 2021 Platz 6 der Albumcharts bescherte – erdachte Gruber größtenteils im Alleingang. Unddann war da noch etwas nach seiner »Exit Strategy«: Ein Zusammenbruch. Max Gruber wusstenicht mehr, ob und wenn ja, wie er weiter Drangsal machen will, veröffentlichte im Ullstein-Verlagsein literarisches Debüt »Doch«, gründete Die Benjamins, holte so gemeinsam mit Charlotte Brandi,Thomas Götz und Julian Knoth Hans-A-Plast Frontfrau Annette Benjamin aus dem Ruhestand undreaktivierte unlängst das 2016 mit Stella Sommer gegründete Duo Die Mausis.Und doch, von innen wie von außen, immer wieder die Frage nach einem neuen Drangsal-Album.Wenn es denn überhaupt nochmal eines geben soll, erkannte Gruber, musste er die Arbeitsweise,auf deren Grundlage Drangsal-Songs entstehen, fundamental verändern. Auf alles Ringen folgte,was unvermeidbar war: Der Reset. Max Gruber hat den Soloartist Drangsal gekillt und diedreiköpfige Band Drangsal gegründet – zusammen mit zwei Mitmusikern, die ihn aus seinenGewohnheiten gelöst haben: Lukas Korn und Marvin Holley. Erstgenannter ist Gitarrist undProduzent, spielt in der Band Lyschko, produzierte zuletzt das Album »silber« von Mia Morgan undhat seit 2020 als Bassist an der Drangsal-Liveband partizipiert. Zweiterer studierte Jazz- undklassische Gitarre sowie Komposition in Stuttgart und Wien, stand mit Sam Vance-Law und Fil BoRiva auf der Bühne und arrangierte für Film und Theater. Lukas Korn und Marvin Holley haben dafürgesorgt, dass sich die zentrale Figur im Kosmos Drangsal dreiteilt.Das Liedermachen in Bandkonstellation ließ alle Angst platzen: Getragen von Euphorie nahmenGruber, Holley und Korn ab Ende 2022 etliche Songskizzen und damit den Unterbau einessiebzehnteiligen Albums auf. Nach Kreativurlauben an der polnischen Grenze und Ostsee standeine von Max Rieger produzierte und von Lukas Korn Co-produzierte vierte Drangsal-LP. Sie trägtden schwergängigen Titel »Aus keiner meiner Brücken die in Asche liegen ist je ein Phönixemporgestiegen« und erscheint im Juni 2025. Gruber, Holley und Korn haben sich auf das Credo»so wenig wie möglich, so viel wie nötig« verständigt – und dadurch einen Umbruch im KlangkosmosDrangsals manifestiert, der völlig neue Dynamiken mit sich bringt. »Aus keiner meiner Brücken diein Asche liegen ist je ein Phönix emporgestiegen« hält Leerstellen aus, in seinem Zentrum stehen,statt Synthesizer, Akustikgitarren, die immer wieder an der Grenze zu Blues und Jazz wandeln. Wospeziell auf »Exit Strategy« noch überzuckerter Synth-Pop preschte, ist nun Klavier zu hören; Orgel,Klavinet und Cembalo; Xylophon, Violinen und Celli; von Ralph Heidel gespielte Querflöten undSaxophone.Dazwischen drei Episoden, in denen sich Gospel Chöre und Technobeats breitmachen. Max Riegerhat die drei dazu motiviert, Echtheit, auch Imperfektion im Moment der Aufnahme zuzulassen – undgroßen Anteil daran, dass »Aus keiner meiner Brücken die in Asche liegen ist je ein Phönixemporgestiegen« ein realistisches Abbild des Trios bietet. Die Stimmung? Dagegen eher einWechselbad. Max Gruber singt von Selbstentfremdung, vom Für und Wider des Stillstands, vomSichhingeben und Sichwegschmeißen – mal auf deutsch, mal auf englisch, mal zart, mal angewidert.Grubers Stimme klingt, nach einer klassischen Gesangsausbildung, die der Einunddreißigjährigeangetreten hat, zielbewusster. Umarmungen Marke »Ich hab von der Musik geträumt« und»Inkomplett« treffen auf Gewitterwolken à la »Mein Eid« und dem Sophia-Blenda-Feature »MeinMo(nu)ment«. Entlang rigoroser Entkernung und Hexenjagd geht es »Bergab« – für dich, für mich,für Max Gruber sowieso. Er ist über weite Teile der Platte hinweg auf der Flucht vor sich selbst, denalten Geistern, dem leidigen Wachzustand: »Wär’ ich doch bloß nimmermehr erwacht, ich schliefein ewigem Glück«. Gruber sucht und sucht: Nach innerem Frieden, nach Gnade, nachunverbranntem Boden, nach neuen Versionen seiner Selbst – und das vergeblich. Immerhinscheinen Erinnerungen mit der Zeit zu verschwimmen: Grubers Worte – zu sich und zur Welt –klingen im hinteren Teil der Platte sanfter, vergebender, resümierender. Ein Schlüsselmoment? Dasvon der Schauspielerin Rosa Lembeck eingesprochene, Monolog artig formulierte Klanggedicht»Rosa« – »Es ist so: Man singt und es wird.«
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