Emilia will beides – Bräutigam und Liebhaber, Ehe und Abenteuer. Die Erwartung, als Frau treu zu ihrer Entscheidung zu stehen, kann sie leider nicht erfüllen. Im Gewand eines bürgerlichen Trauerspiels schreibt der Aufklärer Lessing im 18. Jahrhundert einen rasanten Krimi-Plot. Mit großer Energie versuchen seine Frauenfiguren, sich aus den Zuweisungen und Erwartungen an ihr Geschlecht zu befreien. Nachdem seine Heldin Emilia Galotti als reine Unschuld ihren eigenen Willen und ihr Begehren entdeckt, gibt es für sie kein Zurück. Auch ihre Rivalin Orsina, vom Prinzen aussortiert, weil sie eigenständig denkt und zu viel redet, sowie ihre Mutter Claudia, die sich nur über die Tochter verwirklichen kann, suchen einen Ausweg. Doch was anfangen mit Männern an der Macht, die das Spiel bestimmen wollen? Angeführt von einem Prinzen, der ganz selbstverständlich die eine Geliebte ablegen und sich eine neue zulegen darf. Schließlich ist er ein Mann, sein Begehren ist frei. Mit einem Vater, der seine Verantwortung darin sieht, Emilia zu einer guten Ehefrau zu erziehen. Und dem Karrieristen Marinelli, der den Plot am Laufen hält, indem er für sein Fortkommen und seine Karriere buchstäblich über Leichen geht. Wo in dieser Welt sind die Werte, für die sich Lessings Heldin am Ende des Dramas umbringen soll? Gibt es keinen anderen Schluss?
Anne Lenks ungewöhnliche Klassiker-Inszenierungen vom Deutschen Theater Berlin „Der Menschenfeind“ von Molière und „Maria Stuart“ von Friedrich Schiller wurden 2020/21 zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Die Regisseurin hat bereits regelmäßig am Thalia gearbeitet, ihre Uraufführung von Finn-Ole Heinrichs „Räuberhände“ läuft seit 2013 erfolgreich im Repertoire der Gaußstraße. Zuletzt inszenierte sie am Thalia Theater Tschechows „Drei Schwestern“.
Premiere am 1. Juni 2024, Thalia Theater