artGERECHT
in der xpon-art gallery
Thematische Gruppenausstellung zeitgenössischer Kunst
Eröffnung am Donnerstag, den 13. Februar 2025 um 19 Uhr
Im Anschluss geöffnet bis zum 16. März 2025
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Wie artgerecht formt sich eine Gesellschaft ihre eigene Situation. Wie definiert sich Gerechtigkeit. Wie artgerecht hält eine Gesellschaft ihre Künstler:innen. Wie artgerecht gestalten jene, die sich der Kunst verschrieben haben, ihr Leben. - Wann haben Sie das letzte Mal über die Rolle der Kunst nachgedacht?
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In der fotografischen Arbeit „Bebra Curiosa“ von AXEL BEYER geht es um das Absurde und Surreale einer hessischen Kleinstadt - um das Gefühl zwischen Geborgenheit und Einengung, Vertrautheit und Befremdlichkeit.
In der Serie wird die Welt zum Modell, zu einem abgeschotteten Kosmos von vorgefundenen Situationen der Region, der die Wahrnehmung herausfordert. Die Grenzen zwischen Innen-und Außenwelt verwischen und vermitteln die besondere Atmosphäre dieses Ortes, der vor der Zeit der Wiedervereinigung eine besondere Rolle im Grenzbereich zwischen West und Ost gespielt hat.
Suchend geht die Serie „Neulich im Museum oder: Meine Oma malt auch“ von CARSTEN BORCK der Frage nach, wie Kunst und Gerechtigkeit zusammenkommen. Was macht es mit Kulturschaffenden, wenn prekäre Lebens- und Arbeitsbedingungen, aktuelle Sparmaßnahmen und ein rauer werdendes gesellschaftliches Klima aufeinanderprallen? Tagebucheinträgen gleich, trägt die in Kaltnadelradierungen gefertigte Arbeit kurze, unterwegs aufgeschnappte Sätze und Skizzen zusammen. Ein Versuch, sich dem Thema Kunst und Gerechtigkeit zu nähern.
Über lange Zeit waren Tauben ein Symbol für die Kommunikation, Verbundenheit und hatten nicht nur als Brieftaube eine Funktion in unserer Gesellschaft. Heute sind sie „Ratten der Lüfte“, ein menschengemachtes Problem. Tauben suchen in Städten verzweifelt nach Lebensräumen, die durch den Menschen immer weiter eingeengt werden. Hierdurch nimmt der Stress zu; Krankheiten und Parasiten verbreiten sich schneller. Während die Taube als Individuum leidet, wird auch die Beziehung zur Stadtbevölkerung belastet: Lärm- und Geruchsbelästigungen durch große Kolonien und Taubendreck an Gebäuden führen zu Frustration unter den Stadtbewohnern und können potenziell Krankheiten übertragen.
Das Objekt von FLORIAN HUBER macht deutlich, dass die neugierige Pose der Taube, die ihren Kopf aus dem Karton steckt, nicht nur den Verlust der einst so bedeutenden Rolle symbolisiert, sondern auch die Fragilität und Verlorenheit, die viele von uns in einem urbanen Umfeld empfinden.
Mit seiner Fotoarbeit „Gurke mit Panzerband" reagiert HELGE H. PAULSEN augenscheinlich auf die millionenteure Banane von Maurizio Cattelan: zum Thema der Ausstellung passend frage er sich, ob es gerecht sei, dass dieses Kunstwerk, oder besser die Geste des Künstlers, solch einen monetären Wert und dadurch auch mediale Aufmerksamkeit erfährt, wenn die meisten anderen Künstler*innen wenig Geld und Aufmerksamkeit für ihr Tun bekommen. Sollte Kunst überhaupt den Anspruch haben, gerecht sein zu wollen? Was würde das für die Kunst bedeuten ? Hier will die Gurke mal Banane sein. Dazu ein wenig Lolly-Pop-Art und die Arbeit Balance für den Drahtseilakt des täglichen Künstlerdaseins.
KLAAS WURTMANN nähert sich mit seinen Objekten den emotionalen Tragweiten von Enteignung, Aneignung und Fremdbestimmung/Unterdrückung durch Macht: In Seiner Rolle als „Mächtiger“ nimmt er dem Material seine ursprüngliche, vorherige Funktion und einhergehende Rolle und unterwirft es seinem Willen. Hierin liegt ein gewaltvoller Akt, der eine Neuordnung der Dinge bewirkt.
LUISE KLEUSER fragte für ihr Diplom in Bühnen- und Kostümbild an der HfbK Dresden bei uns an, ob wir einen Grundriß hätten, den wir ihr für eine fiktive Ausstellung zur Verfügung stellen könnten. Wir hatten.
Das Modell der Ausstellung mit dem Titel „Satans Nationalpark" ist in Oberwelt (Erdgeschoss) und Unterwelt (Keller) aufgeteilt. Große Inspirationsquelle für das Ausstellungskonzept war der Freizeitpark „LUNA LUNA“ von André Heller, der 1986 in Hamburg eröffnet wurde. Das Erdgeschoss beinhaltet Bananenbilder in verschiedenen Ausführungen. Im Untergeschoss wird die Banane zur Marde umgewandelt und es gibt Skulpturen von Dingen, die in der echten Welt eigentlich klein sind, aber in der Unterwelt groß erlebt werden. Für die Ausstellung artGERECHT fragten wir Luise, ob sie Lust hätte, das Modell nach Hamburg zu bringen. Sie hatte.
Käfige als Begrenzungen, offene Käfige - nie besetzt oder geflohen? Was ist Freiheit? Freier Flug oder freier Fall?Leben wir in Käfigen, ohne es zu merken? Im Metallgeflecht hängen zwei Gesichter, auf Monitoren. In ihrer Installation „Die Vögel“ bearbeiten BARBARA LORENZ HÖFER und MARA SCHOLZ existenzielle Fragen.
MARCUS KORELL vermischt das Innere Wesen und die äußeren Bilder der Menschen, die ihm in seinem Alltag begegnen, in seinen großformatig gemalten fiktiven Portraits zu Spannungsfeldern. Was macht es mit Menschen, die sich bewusst aus den von einer Masse definierten Standards herausnehmen? Und was mit denen, die diese vermeintlich allgemeingültigen Standards setzen, und auf die Ausscherer blicken? Zwischen scheinbar verhandelbaren Begriffen wie „Art“ oder „gerecht“ wird die Würde zur stärksten Waffe im Ringen um die eigene Existenz.
Ein Entwurf. Ein Bild. Ein Video. Eine Geschichte. Die Künstlerin erhält den Auftrag, eine „Bio Toilette“ zu entwerfen. Also überlegt sie sich, wie sie das anstellen könnte. Aber was heißt „Bio“ eigentlich wirklich? In ihrem knapp vierminütigen Kurzanimationsfilm nimmt die Stimme der Filmkünstlerin MARIOLA BRILLOWSKA die Welt der ach so besonderen Designideen auf gewitzte und farbenfrohe Weise auf die Schippe, indem sie die Zuschauenden Zeugen bei ihrem „Entwurf“ werden lässt.
„Pflanzen anzubauen, was normalerweise einfach ist, fiel mir schwer, da ich im Untergeschoss lebte. Deshalb ist es für mich jetzt etwas Besonderes, endlich Pflanzen anbauen zu können. In diesem Video habe ich festgehalten, wie meine Schwester und ich Pflanzen in unser neues Haus bringen. Es hat lange gedauert, bis wir endlich die Möglichkeit hatten, Pflanzen anzubauen.“ „How to Bring Plants Home“ von PYUNGHWA LEE.
„Momentaufnahme“ beschäftigt sich mit einem Herren in der Umkleidekabine. Dieser ist der Mann ihrer Geschäftspartnerin. Er möchte jede mögliche Sekunde in der Nähe seiner geliebten Frau verbringen – auch wenn er sich dafür auf einem Schemel einer 1qm großen Umkleidekabine aufhalten muss. Staunend beobachtet SHIA VADERS dieses täglich viele Stunden dauernde Schauspiel. Sein selbst gewählter „Käfig“, seine freiwillige Selbstbeschränkung ist ihre Gefangenschaft. Unwissentlich begrenzt er sie in ihrer Freiheit, die sie sich durch ihren Schritt in die Selbstständigkeit versprach.
„Die instabile Flüchtlingspolitik schafft Unsicherheit, in der die Zukunft Angst macht und die Gegenwart wie Überleben wirkt. Die Angst vor Abschiebung und Rückkehr in lebensgefährliche Zustände verstärkt diese Belastung. Die unsichere Karriere im Kunstbereich erschwert zusätzlich ein Gleichgewicht zwischen künstlerischer Praxis, politischem Klima und mentaler sowie finanzieller Gesundheit.“ „Fear and function“ ist eine Skulptur mit kantigen, geometrischen Formen aus Metall von SUDABE YUNESI, 2018 aus dem Iran geflohen und derzeit an der HfbK studierend.
ULI GOLUB empfahlen wir für das Achterhausstipendium. Während ihres Aufenthaltes in Hamburg 2019 drehte die bildende Künstlerin aus der Ukraine ihren Film „Look, She’s got Beard“ - damals zeigten wir zum Ende des Stipendiums eine Behind-the-scenes - Ausstellung mit den Requisiten und ersten Aufnahmen. Für diese Ausstellung nun den fertigen Film, der 2020 den Special Prize des PinchukArtCentre in Kyiv gewann: „Die Jury war der Ansicht, dass das Werk besonders dadurch gekennzeichnet ist, dass es heikle Themen wie das 'Andere' und die Akzeptanz desselben in einer grenzwertig provokativen Weise anspricht. Die Jury war der Meinung, dass das Werk eine besonders starke Metapher für die Diskussion einiger der wichtigsten Themen unserer Zeit darstellt: Migration, Integration, Ausgrenzung und Unterschiede.“
Ist der von parasitären Auswüchsen besiedelte Tierschädel ein zoologisches Fundstück? Oder handelt es sich um ein Kunstobjekt, das auf mimetische Weise mit unserer Vorstellung von Natur und Künstlichkeit spielt? WOLF MARTENS Arbeit „Idyll II“ aus dem Jahr 2024 lädt spielerisch zur Reflexion über diese Fragen ein.
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Und damit entlassen wir sie aus diesem begleitenden Text. Denn Kunst bedeutet, sich spielerisch inspirieren zu lassen zum Nachdenken, Neudenken, Umdenken. Laufen Sie gern nochmal rum. Holen Sie sich oben ein Getränk und gehen nochmal runter. Querverbindungen, Dialoge, Kontraste sind absichtlich gelegt, aber nicht zwingend ersichtlich. Kunst funktioniert auch emotional, unterbewusst. Lassen sie sich darauf ein und reflektieren, was sie sehen. Bei Fragen sprechen Sie uns gerne an, wenn Sie Durst haben, auch. Wir bieten nichts an, was wir nicht auch selber trinken würden. Getränke sind gegen Spende erhältlich. Der Eintritt ist frei, weil jeder Zugang zu Kultur haben soll.
Sie dürfen allerdings gerne welchen spenden, wenn Sie den sonst auch honorieren. Wir konzipieren diese Ausstellungen und betreiben diesen Raum, weil wir es wichtig finden, dass es konstante und anspruchsvolle Positionen zwischen staatlichen Museen und kommerziellen Galerien einerseits und wechselnden Plattformen für Nachwuchskunst andererseits gibt - zum einen, um noch nicht etablierte Kunstschaffende besser zu fördern, und zum anderen, um eine lebendigere Kultur für die Kommunikation zwischen Kunst und Öffentlichkeit zu schaffen. Wenn sie diese Arbeit fördern möchten. sprechen sie uns gerne an.
Die Erzählungen dieser Ausstellung wurden geschaffen von den Künstler:innen. Die Textredaktion hatte Gerald Chors.
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Teilnehmende Künstler:innen:
Axel Beyer, Barbara Lorenz Höfer + Mara Scholz, Carsten Borck, Florian Huber, Helge H. Paulsen, Klaas Wurtmann, Luise Kleuser, Marcus Korell, Mariola Brillowska, Pyunghwa Lee, Shia Vaders, Sudabe Yunesi, Uli Golub, Wolf Martens
Vernissage:
Donnerstag, 13.2.2025 um 19 Uhr
Laufzeit:
Donnerstag, 13. Februar 2025 bis Sonntag, 16. März 2025
Öffnungszeiten:
Sonnabends, Sonntags, Montags und Dienstags jeweils von 18 - 21 Uhr und n. V.
Finissage:
Sonntag, 16.3.2025 11 - 16 Uhr
Ort:
xpon-art gallery
Repsoldstraße 45
20097 Hamburg
www.xpon-art.de
#xponartgallery
Über abweichende Öffnungszeiten informieren wir Sie auf unserer Homepage, unserem
Instagram Account @xponartgallery und unserer Facebook Seite facebook.com/xponart
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Im Verlaufe der Ausstellung werden, insbesondere auch für diejenigen interessant, die einen
Besuch nach wie vor vermeiden müssen, 360°-Ansichten auf der Homepage eingepflegt.
Wir bitten, trotz allem an Corona und die Grippewelle zu denken und sich entsprechend zu verhalten.
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Mit freundlicher Unterstützung der Behörde für Kultur und Medien Hamburg
Preisinformation:
Der Eintritt ist frei, weil jeder Zugang zu Kultur haben soll. Sie dürfen allerdings gerne welchen spenden, wenn Sie den sonst auch honorieren. Getränke sind gegen Spende erhältlich. Wir bieten nichts an, was wir nicht auch selber trinken würden. Wir konzipieren diese Ausstellungen und betreiben diesen Raum, weil wir es wichtig finden, dass es konstante und anspruchsvolle Positionen zwischen staatlichen Museen und kommerziellen Galerien einerseits und wechselnden Plattformen für Nachwuchskunst andererseits gibt - zum einen, um noch nicht etablierte Kunstschaffende besser zu fördern, und zum anderen, um eine lebendigere Kultur für die Kommunikation zwischen Kunst und Öffentlichkeit zu schaffen.