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Gruppenausstellung "Die Rückseite des Schatzes – Zur Epistemologie der Wunderkammer" in der Galerie im Körnerpark
Die Wunderkammer erscheint aus heutiger Sicht veraltet und ist wenig geeignet, um die Vielfalt und Vernetzung der zeitgenössischen Kunst anzusprechen. In ihr bildete sich ein quasi-kognitiver Zustand jener Epoche ab, in der verschiedene Objekte kontinuierlich aus ihrem anfänglich chaotischen Zustand zusammengetragen und nach Typologien organisiert wurden.
Zur Reflexion dieser Fragen ist das faszinierende Werk Der Thron des Großmoguls (der Schatz) von Johann Melchior Dinglinger aus dem Dresdner Grünen Gewölbe besonders bemerkenswert. Die legendäre Schatz- und Wunderkammer, die von August dem Starken von Polen und Sachsen 1723 als öffentliches Museum eingerichtet wurde, ist für ihren unvergleichlichen Reichtum an Schätzen bekannt.
Unter dem Einfluss seines Patrons und Herrschers präsentiert dieses außergewöhnliche Stück auf der Vorderseite eine opulente Installation, während die Rückseite eine imaginäre orientalistische Szene in grober Manier zeigt. Auf unbeabsichtigte, aber vielsagende Weise wird hier erkennbar, wie der Maler das Virtuelle und Reale erkundete.
Im 18. Jahrhundert begann eine enorme Macht, angetrieben von encyclopédisme technique (Gilbert Simondon), die Welt zu erobern. Dies markierte einen Wendepunkt vom traditionellen Wissenssystem, das zuvor nur exklusiven Gruppen wie Handwerker:innen vorbehalten war, zu einer Explosion von zugänglichem Wissen, wodurch dessen Mystik entzaubert wurde. In diesem Zusammenhang beschwört die starke materielle Betonung der Wunderkammer eine nicht-materielle Dimension herauf. Chaos, Leere und Dunkelheit als kosmologische Begriffe stehen im Resonanzverhältnis zur nachlässigen, aber offenen Behandlung der Rückseite des Schatzes.
Die Gruppenausstellung nutzt die markanten architektonischen Merkmale der Galerie im Körnerpark. Ein räumlicher Parcours wird unter Anspielung auf eine endlose Spiegelung kreiert, um Möglichkeiten für epistemologische Interaktionen zu schaffen. Das 3D-Modell des Schatzes, das im Eingangsbereich der Ausstellung präsentiert wird, gleicht einer Reinkarnation des Originalartefakts. Mit einem digitalen Avatar von Dinglinger selbst, der in diesem virtuellen Raum steht, wird die historische Materialität in ein neutrales Modell verwandelt — ähnlich den im Gaming oft verwendeten Gegenständen — um auf der Rückseite des Schatzes neue Gespräche mit zukünftigen Künstler:innen zu eröffnen, die sich in unserer Zeit entfalten.
Kuratiert von Jiaxing Chao
Kuratorische Assistenz: Ce Jian
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Group exhibition "The Back Of The Treasure – On the Epistemology of the Cabinet of Curiosities" at Galerie im Körnerpark
Nowadays, the cabinet of curiosities has become outdated and is no longer adequate for addressing the diversity and interconnectedness of contemporary art. It represented a quasi-cognitive state of the era, in which various objects were continuously accumulated from their initially chaotic state and organized into typologies.
In exploring these questions, the intriguing piece titled Throne of the Grand Mogul (the Treasure) by Johann Melchior Dinglinger from the Grünes Gewölbe in Dresden is especially notable. Founded by Augustus the strong of Poland and Saxony in 1723, this legendary collection is renowned for its unparalleled wealth of treasures.
Under the influence of its patronage ruler, this extraordinary piece displays an opulent installation on the front, while its backside features an imaginary Orientalist scene executed in a coarse technique, its unintentional eloquence demonstrates how the painter explored the virtual and the real.
During the 18th century, a huge power driven by encyclopédisme technique (Gilbert Simondon) began to take over the world. This marked a shifting point from the traditional system of knowledge once held exclusively by groups such as craftsmen to more explosion of accessible knowledge, dispelling its mystery. In this context, the cabinet of curiosities’ strong emphasis on materiality evokes a non-material dimension. Chaos, emptiness and darkness, as cosmology notion resonate with the sloppy yet open treatment of the backside of the Treasure.
The group exhibition utilizes the distinctive architectural characteristics of the Galerie im Körnerpark, a spatial parcours referencing infinite mirror reflection is created to provide possibilities for epistemological interactions. The 3D scanned model of the Treasure, presented in the exhibition’s entrance becomes a reincarnation of the original artifact. With a digital avatar of Dinglinger himself situated in this virtual space, the historical materiality is transformed into a neutral model, similar to those commonly used in gaming, in order to open new conversations with future artists from the backside of the Treasure, unfolding in our time.
Curated by Jiaxing Chao
Curatorial assistance: Ce Jian