Im Frühjahr 1933 wurde der Zentrumspolitiker Konrad Adenauer, gebürtiger Kölner und promovierter Jurist, vom NS-Regime aus dem Amt des Oberbürgermeisters von Köln verdrängt, in das er rund anderthalb Jahrzehnte zuvor zum ersten Mal gewählt worden war. Der damals 57-Jährige zog sich mit seiner großen Familie einige Zeit später nach Rhöndorf, unweit von Bonn, zurück. Dort blieb er im Visier des Regimes, ohne dass sich Adenauer direkt an Widerstandsaktivitäten beteiligt hätte. Nach dem Scheitern des Staatsstreichversuchs. von Oberst Graf Stauffenberg und anderen im Juli 1944 wurde Adenauer dennoch von der Gestapo verhaftet, auch seine Ehefrau Auguste befand sich zeitweilig in Haft. Da ihm keine direkte Verbindung zum Widerstand nachgewiesen werden konnte, kam Adenauer Ende November 1944 wieder frei. Anfang Mai 1945 wurde er von der US-Besatzungsmacht wieder als Oberbürgermeister von Köln eingesetzt, Anfang Oktober 1945 wurde er von der inzwischen zuständigen britischen Militärregierung jedoch entlassen. Bereits kurz vor Kriegsende hat Adenauer Briefkontakte (wieder-)aufgenommen, von denen er sich Hilfe für den notwendigen Wiederaufbau und dringliche Versorgungsfragen versprach. In seinen Briefen wird seine Einschätzung der Situation und der politischen Perspektiven Deutschlands am Ende des Zweiten Weltkriegs und kurz danach deutlich.
George Orwell wurde unter dem Namen Eric Arthur Blair 1903 als Sohn eines britischen Kolonialbeamten im indischen Motihari geboren. In Großbritannien aufgewachsen, besuchte Orwell unter anderem das renommierte Eton-College, wo er sich frühzeitig für Dichtung und Literatur interessierte. 1922 trat er in den Dienst der britischen Kolonialpolizei im damals ebenfalls noch britisch beherrschten Burma (heute Myanmar) ein. Diesen quittierte er im Sommer 1927 nach zahlreichen für ihn beklemmenden Erfahrungen, die er später zum Teil literarisch verarbeitete. Zurück in Großbritannien, arbeitete er für verschiedene politisch links stehende Medien als Journalist, zeitweilig unter miserablen Lebensbedingungen. Für seine literarischen Arbeiten verwendete er seither das Pseudonym »George Orwell«. Während des Spanischen Bürgerkrieges kämpfte Orwell 1936/37 als Freiwilliger bei einer anarchistischen Gruppe in Katalonien gegen die von NS-Deutschland und dem faschistischen Italien unterstützten Truppen General Francisco Francos. Zum Schlüsselerlebnis wurde ihm dort das verdeckte, brutale Vorgehen kommunistischer Kräfte, das sich auch gegen Franco-Gegner richtete, die nicht bereit waren, sich dem Führungsanspruch der von der stalinistischen Sowjetunion aus gesteuerten Führung der spanischen KP zu beugen. Nach einer schweren Verwundung kehrte Orwell 1937 nach Großbritannien zurück, wo er wieder als Journalist wirkte. Seit 1941 arbeitete er für den britischen Rundfunk BBC. Im Frühjahr 1945 bereiste Orwell als Korrespondent für die linksliberale britische Zeitung »The Observer« unter anderem das gerade besetzte Rheinland und andere Teile Deutschlands. Dies fand Niederschlag in eindrucksvollen Reportagen, in denen Orwell wie bisher auch dezidiert politisch Stellung bezog. Fast zeitgleich erschien im Sommer 1945 Orwells Fabel »Animal Farm« (»Farm der Tiere«, deutsch zuerst 1946), welche das Bild einer totalitären Diktatur zeichnet. Spätestens seit im Juni 1949 der Roman »1984« mit ähnlicher Themenstellung folgte, galt und gilt Orwell als einer der bedeutendsten literarischen Autoren englischer Sprache im 20. Jahrhundert.
UNGLEICHE WORTE. Sieger und Besiegte, Befreier und Befreite in Deutschland 1945 – Doppelporträts und exemplarische Texte
Mit Dr. Katja Schlenker und Prof. Dr. Winfrid Halder
Als in den ersten Monaten des Jahres 1945 die Streitkräfte der Anti-Hitler-Koalition, angeführt von den Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritannien und der Sowjetunion, das Gebiet des damaligen Deutschen Reiches vollständig eroberten, die deutsche Wehrmacht endgültig besiegten und das verbrecherische NS-Regime zerschlugen, trafen ihre Soldaten und Kriegskorrespondenten auf Angehörige einer Nation auf dem politischen und moralischen Tiefpunkt ihrer gesamten Geschichte. Umgekehrt sahen sich die Deutschen mit den Siegern und Befreiern konfrontiert, die ihnen nach zwölf Jahren Diktatur und weitgehender Isolation zumeist fremd erschienen. Von beiden Seiten wurden erste Eindrücke festgehalten, deren ungefilterte Direktheit bis heute eindrucksvoll ist. Sie zeigen zudem, dass der folgende Weg der »Westintegration« immerhin eines Teils Deutschlands, der mit maßgeblicher Hilfe der USA eingeschlagen wurde und der den Weg zu Demokratie und Selbstbestimmung eröffnete, weder selbstverständlich noch einfach war.
Die Reihe stellt jeweils zwei Personen vor, die sich mittelbar, seltener unmittelbar begegneten und die Erfahrungen der vermeintlichen »Stunde Null« festhielten.