Best Before: ist eine Einzelausstellung von Valentin Vert in den Vitrinen des Institut français Berlin – kreist um das Thema Konservierung: von Daten in energieintensiven Strukturen, von Kunstwerken unter strengen Auflagen sowie von Teilen des lebendigen Lebens – insbesondere tierischer und menschlicher Spezies –, die in den Trümmern des Kapitalismus überleben müssen, wo das Gift längst kein äußerer Feind mehr ist, sondern Teil unserer Umwelt geworden ist.
Um diesen Herausforderungen Gestalt zu geben, hat der Künstler eine Serie von Skulpturen geschaffen, deren zylindrische, vertikale Formen von der Technik der Bohrkernentnahme inspiriert sind. Jede Skulptur enthält Quecksilber – ein chemisches Element, das Druck und Temperatur sichtbar machen kann –, zugleich ein Thermometer für Körper wie auch ein Indikator des Klimawandels. Als Speicherobjekte ebenso wie als Messinstrumente fungieren sie als hybride Werkzeuge an der Schnittstelle zwischen Labor und Museum. Mit ihrem versiegelten Erscheinungsbild und ihrer symbolischen Aufladung verkörpern sie moderne Reliquien, die sowohl vergrabene Daten als auch die prophetischen Zeichen einer möglichen Zukunft in sich tragen.
Die Skulpturen treten in Dialog mit einem Korpus von Archivbildern, die der Künstler frei beschnitten und bearbeitet hat. So entfaltet sich eine Vielzahl ineinander verwobener Erzählungen: prometheische Geschichten der Quecksilbergewinnung, die Herstellung von Zinnober aus dem Metall und dessen malerische Verwendung von Pompeji bis Cézanne, industrielle Megalomanie bis hin zur Verwüstung der Bucht von Minamata. Tragische Fabeln von Katzen, die nach dem Verzehr kontaminierter Fische dem Wahnsinn verfallen, begegnen Erzählungen von Menschen, deren Gesichtszüge unter dem Einfluss des Gifts erstarren.
Durch ein doppeltes Spiel der Maßstäbe – von der mikroskopischen Dimension chemischer Reaktionen bis hin zur globalen Reichweite eines internationalen Abkommens zum Verbot des Metalls – erforscht Valentin Vert die Verbindungen zwischen dem Unendlich-Kleinen und globalen Dynamiken. Hinzu kommt eine zeitliche Schichtung: alte Erzählungen und zeitgenössische Dramen antworten einander und zeichnen ein rhizomatisches Netzwerk, in dem soziale, ökonomische und wissenschaftliche Dimensionen gleichberechtigt miteinander verflochten sind.
Indem die Ausstellung unsere Fähigkeit hinterfragt, mit den toxischen Rückständen einer zerstörten Welt zu leben und Heilung zu finden, endet sie mit den Protokollen zur Behandlung und Entgiftung der Werke selbst. Im Subtext stellt Best Before: die drängende Frage nach unserem ökologischen Haltbarkeitsdatum.
Valentin Vert (*1996) lebt und arbeitet in Marseille. Seine Praxis, an der Schnittstelle von Skulptur, Industriedesign und Handwerk, basiert auf einer historischen, sozialen und politischen Lesart technischer Gesten. Die daraus entstehenden Formen gestalten spekulative Erzählungen: animierte Artefakte, die verborgene Erinnerungen tragen – Zeugnisse enttäuschter Zukünfte oder noch möglicher Fiktionen. Im Jahr 2023 wurde er mit dem François-Bret-Preis ausgezeichnet. Seine Arbeiten wurden kürzlich unter anderem bei Art-o-rama in Marseille, im Château de Servières in Marseille, in der Villa Benkemoun in Arles, im Centre Wallonie-Bruxelles in Paris sowie in La Villette im Rahmen von 100% l’Expo gezeigt.
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Indira Béraud (*1992) lebt und arbeitet in Paris. Sie ist als unabhängige Kuratorin tätig und promoviert aktuell im Bereich Forschungs-Kreation an der UQAM (Montréal) in Kooperation mit der EHESS (Paris). Ihr Forschungsprojekt „Überleben in der Obsoleszenz: Hin zu ökologischen kuratorischen Praktiken“ verknüpft ökologische Fragestellungen mit kuratorischen Ansätzen.
Sie hat zahlreiche Ausstellungen in Frankreich (Paris, Lille, Saint-Denis, Clichy, Sarzeau, Nîmes), Ungarn (Budapest) und England (London) organisiert. 2022 war sie Teil des kuratorischen Teams von Inland im Rahmen der documenta fifteen (Kassel). Sie ist Gründerin des Magazins „Figure Figure“ und schreibt für diverse Publikationen, darunter art press, Flash Art, aleï journal, Mental und La Mire. Darüber hinaus ist sie Mitglied des Laboratoire d’Anthropologie Sociale des Collège de France, der Chaire de recherche en études et pratiques curatoriales der UQAM, des ICOM und von CEA.
Instagram : @indiberaud