In ihrem hier erstmals aus dem Japanischen ins Deutsche übersetzten Zyklus Unkraut am Ufer dehnt Hiromi Itō den Raum der Poesie weit wie die Steppen der Prärie: Kinder emigrieren mit der Mutter an den Rand irgendeiner fremdsprachigen Landschaft, dauernd in Transit, unverständlich – sich selbst und anderen. Was bleibt, sind Gesten, jedes Kind ein Gast im eigenen Leben – »a growing, laughing, living body«.
Von Transit und existentieller Ortlosigkeit erzählen auch die Gedichte der in Syrien geborenen, seit 2014 in Deutschland lebenden Dichterin Lina Atfah. Trauernd und wütend ob der Gewalt, die ihre alte Heimat verwüstet, zärtlich und tastend in der neuen Heimat, die sich ihr zuerst in der Roboterstimme eines deutschen »Navis« nähert: »Sie haben Ihr Ziel erreicht«. Sprache ist hier ein Obdach, in dem Gedächtnis und Ankunft fortwährend im Dialog stehen: »Wo soll ich hin mit meinen Gedichten? – Hebe ein Grab aus im Kissen und schlaf, so werden die Träume wahr«.
Von Ankünften im Traum oder im »Trancemuseum« des Lebens berichten die Gedichte von Sjón. Schwebend und bewohnbar kommen seine Texte daher, wie kleine Parabeln darüber, dass die Vorstellungskraft jedes einzelnen Menschen schon eine Unterkunft sein kann, wenn man die Perspektive verschiebt. »Um das besser sehen zu können, schloss ich das linke Auge.«
Moderation: Yoko Tawada
Die deutschen Übersetzungen lesen Kelvin Kilonzo und Katharina Schmalenberg.
In Kooperation mit dem Japanischen Kulturinstitut.
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Die Veranstaltung findet auf Deutsch und Englisch statt.