Mit artifiziellem Licht, Fotografie und Natur erforscht Yoana Tuzharova die Verkörperung von Licht in unterschiedlichen Zuständen. In ihrer Licht- und Farbmalerei erweitert sie das künstliche Licht über seine immaterielle Erscheinung hinaus zu einem integralen Bestandteil des malerischen Prozesses: Licht macht Farbe nicht nur sichtbar – es wird selbst zur Farbe. Während in der klassischen Malerei Licht eine neutrale Rolle spielt, primär zur Modellierung von Helligkeit und Schatten dient, fungiert es in Tuzharovas Arbeiten als farbgebendes Material.
Die Transformation realisiert sie durch die Verbindung etablierter Maltechniken – wie Tempera-, Lack- und Acrylmalerei auf selbst geformten, grundierten Holzwerkstoffen oder Leinwänden – mit elektronisch gesteuerten RGB-LED-Systemen, die spektrales Licht erzeugen. Diese hybride Arbeitsweise erweitert die Möglichkeiten der Farbmischung, indem additive und subtraktive Farbsysteme simultan wirken.
Der Raum spielt dabei eine zentrale Rolle: Licht benötigt Raum, um seine Wirkung zu entfalten. Labyrinthartige Farbflächen gliedern die Raumobjekte, schaffen Zwischenwände, Nischen und Ecken. Der Bildraum bleibt dabei stets im Spannungsfeld zwischen Verhüllung und Durchlässigkeit. Die Betrachter*innen durchwandern ihn optisch und erleben fortlaufend neue Farbüberlagerungen, die sich erst durch aktive Erkundung entfalten. Jede Bewegung verändert die Wahrnehmung, jede Licht- und Farbüberlagerung öffnet eine weitere Dimension der ästhetischen Erfahrung.
Raum, Licht, Fläche und Farbe verschmelzen zu einer Einheit, die sich immer wieder neu definiert. Tuzharovas Arbeiten laden dazu ein, den Übergang von Stofflichkeit zu Licht zu erleben – eine Erfahrung, die tief in unsere Wahrnehmung eindringt und uns daran erinnert, dass Sehen ein aktiver, lebendiger Prozess ist, der über das rein Sichtbare hinausgeht.
Als Kontrapunkt zum artifiziellen Licht setzt die Künstlerin organische Naturelemente und deren Farbpalette in den Fokus. Besonders botanische Blätter und Pflanzen, die in quadratische Formen überführt wurden, stehen im Zentrum dieser Auseinandersetzung. Der spannungsvolle Kontrast zwischen künstlichem Licht, organischem Material und strenger Geometrie wird durch neue fotografische Arbeiten ergänzt, die aus Tuzharovas persönlichem Archiv stammen und das Thema der Lichtverkörperung weiter ausloten. Die Ausstellung versammelt neue Werkgruppen und Konzepte, die unsere Wahrnehmung und den Umgang mit Licht durch das Prisma von menschlichem Einfluss, Technologie und Digitalisierung neu reflektieren.